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Die Khôm

Dünenwanderer

Karg und doch vielfältig, öde und doch von einem geheimnisvollen Zauber durchdrungen – so ist die Khôm, die große Wüste. Unerbittlich brennt die Sonne hernieder, dörrt das Land aus, bis nur noch Fels, Geröll und Sand bleiben. Endlos, haltlos schweift das Auge und findet doch nichts als Staub und hitzeflimmernde Luft. Dennoch findet der Mensch gerade hier, wo nichts die Sinne ablenkt, zu sich selbst, sagen die Wüstenwanderer.

Sie sind ein stolzer Menschenschlag, beweisen sie doch, dass jener, der die Allmacht der Wüste respektiert, der klug vorsorgt und beständig seinen Weg geht, selbst in diesem unwirtlichen Land überleben kann. Wer ihre Freundschaft erringt, mit dem teilen sie die größte Weisheit ihres Lebens: dass nur glücklich sein kann, wer jeden Tag wenigstens zehn Meilen geht. Und abends, wenn die Kamele versorgt sind und ein Lagerfeuer aus ihrem getrockneten Dung brennt, um gegen die erstaunliche Kälte der Nacht zu schützen, erzählen sie die Geschichten, die der Wind über die Dünen trägt:

Dass die Khôm einstmals ein blühendes Land war, bevor sie der Zorn Rastullahs, seine vierzig Namen seien gepriesen, traf.

Dass die Gräuel, die die Geschuppten in diesem Land begingen, die Khôm noch nach Jahrtausenden quälen. So windet sie sich, und wie Eiter stößt sie die Relikte der lästerlichen Echsen aus: Statuen, Reliefpfeiler, Opferstätten, an denen Unaussprechliches geschah, tauchen an Orten auf, wo zuvor nur Sand gewesen ist.

Dass ein seltsamer Stamm fernab jeder Quelle im Herzen der Wüste wohnt, dessen Angehörige sich mit blauem Stoff verschleiern, bis nur noch ein Schlitz für die Augen bleibt. Niemals hat jemand einen Kampf gegen sie gewonnen – oder zerfallen sie im Tod zu Staub, wie andere sagen? Nie ist einer von ihnen in Gefangenschaft geraten.

Dass die großen Sicheldünen im Herzen der Wüste Prophezeiungen verkünden, die jener lesen kann, der die Geduld aufbringt, ihre Wanderungen zu beobachten.

In einem sind sich alle, die von einer Reise durch die Khôm berichten, einig: Die große Wüste macht demütig. Sie ist erhabener und stärker als der kühnste Held. Jeder muss sich der großen Khôm beugen – denn sie ist gnadenlos.


Alam-Terekh

Alam-Terekh

Vielen gilt Alam-Terekh als letzter Gruß des Lebens. In dieser Grundwasseroase am Fuße des Khoramgebirges kann man noch einmal die Kamele tränken und die Schläuche füllen. Man wandelt im Schatten von Palmen und besucht noch einmal eine Taverne, wo man wehmütig den Tänzerinnen zusieht und den Spielleuten lauscht – das letzte Mal, bevor man sich aufmacht in das glühende Land aus Fels und Sand.

Natürlich ist hier auch alles zu erwerben, was man für die Reise durch die Wüste braucht: Zelte und Südweiser, Wasserflaschen, Lasttiere, Dörrfleisch und Oliven. Schmiede und Sattler bieten ihre Dienste an, Karawanenführer prahlen mit ihrer Erfahrung.

Und auch allerlei Volk trifft man hier an. So verbindet der Pass der Winde Alam-Terekh mit der kaiserlichen Provinz Almada. Über das Khoram-Gebirge gelangt man nach Mhanadistan mit seinen fetten Weiden. Durch die Wüste bringen Reisende aus dem Lieblichen Feld ihre erstaunlichen Apparate und Händler aus Unau das weiße Gold des Cichanebi-Salzsees.

In diesem Trubel vergisst man allzu leicht, wer die wahre Herrin ist, deren Zorn die Oase jederzeit begraben könnte. Weht der Wind aus Südwest, verstummen die Gespräche, denn jeder wird daran erinnert, wer die wahre Macht in dieser Weltgegend ist. Dann haucht die Wüste ihren heißen Atem in das Gesicht der Sterblichen, und gelber Sand legt sich auf Palmwedel und Häuser, auf Mensch und Tier.


El'Ankhra

Sandlöwe

Die Beni Ankhara gehören zu den mächtigsten Stämmen der Novadis. Niemand würde es wagen, ihre Treue zu Rastullah, dem einzigen Gott, infrage zu stellen. Doch demjenigen, der El’Ankhra besucht, mag leicht ein Schaudern über den Rücken laufen – spätestens, wenn er das Gebrüll der Löwen hört, die inmitten der Oase in einem riesigen Zwinger gehalten werden. Dieses Gehege ist weniger ein Käfig als eine Residenz für die Könige der Wüste. Ruhefelsen, Wasser, schattenspendende Palmen und Buschwerk gewähren ihnen ein fürstliches Leben. Und sie speisen auch wie die Fürsten: Unter den Beni Ankhara gilt es als Ehre, exquisite Beutetiere heranschaffen zu lassen. Dies ist teils mit erheblichen Kosten verbunden, wenn sie mit Unmengen von kostbarem Wasser auf dem Weg durch die Wüste nicht nur am Leben, sondern auch bei Kräften gehalten werden sollen, um den Löwen neben der Nahrung auch eine gute Unterhaltung zu bieten.

Zwar thront auch auf dem Relief im Löwenzwinger Rastullahs Zelt in den Wolken, aber wer vermag dem wahren Gläubigen zu verübeln, wenn ihn Zweifel beschleichen, ob die Raubkatzen wirklich nur als prächtig geratene Kinder des Einen gesehen werden – oder ob die Beni Ankhara ihnen eine Verehrung zuteilwerden lassen, die keinem sterblichen Wesen gebührt?

Vermeiden die Besucher der Oase die Kritik an dieser Sitte, erwartet sie in El’Ankhra das, wonach sie sich auf der Reise durch die umgebende Wüste zweifellos gesehnt haben: Speise für die Gaumen aller Länder, die die Khôm umgeben, erquickender Trunk, sogar ein Bad, eine Pfeife edlen Tabaks. Auch Handelswaren werden hier, wo sich mehrere Karawanenrouten treffen, umgeschlagen. Und manche verweilen auch länger hier, um von El’Ankhra aus die Weisheit zu ergründen, die sich allein in der Wüste finden lässt.